Alan Wake 2 (Game-Review)

Mord. Ein nackter Mann taucht aus einem See auf. Er läuft in den Wald. Dort wird er von einer Gruppe Typen mit Tiermasken geschnappt, auf einen Picknicktisch geworfen, festgehalten und dann wird ihm das Herz rausgerissen. Also zwei Touristen vorbeikommen und die Szene stören, hauen die Typen ab.

Aber es ist nicht der erste dieser Fälle, weshalb die beiden FBI-Leute Saga Anderson (Melanie Liburd) und Alex Casey (Sam Lake, James McCaffrey) hingeschickt werden, um der Sache auf den Grund zu gehen. In Bright Falls angekommen wird rasch klar, dass das Verschwinden des Schriftstellers Alan Wake (Ilkka Villi, Matthew Poretta) vor vielen Jahren mit all dem zu tun hat, was hier los ist.

Und tatsächlich taucht Alan Wake – sehr zur Überraschung von allen – wieder auf. Aber wieso? Wo kommt er her? Wo war er? Und sind dort auch noch andere? Und … warum hat was immer ihn festgehalten hat ihn nach all den Jahren auf einmal wieder losgelassen?

Ich habe es bei meiner Kritik zu „Control“ geschrieben: Remedy muss/kann/sollte man einfach vertrauen. Zwar empfinde ich „Alan Wake 2“ nicht als das Meisterwerk, als das es viele feiern, aber es ist auf jeden Fall ein mutiges Spiel mit cooler, wenn auch streckenweise vorhersehbarer, Story, großteils feiner Optik und vielen schrägen Ideen inklusive der wohl coolsten Anwendung der Vermischung von Videofilm, Videospiel und Musik in einem absurd-witzigen Setting. Darüber gestreut ist wohl der beste Videospiel-Soundtrack der letzten Jahre – wenn man Rockmusik mag. Ein herzliches Danke an die „Poets Of The Fall“, die nicht nur Remedy, sondern auch mich, seit „The Fall Of Max Payne“ begleiten.

Erzählt werden zwei Geschichten, die dann – was niemand überraschen wird – zusammenlaufen und in Summe eine gesamte Story ergeben. Wir beginnen mit Saga, die ihren Freund und ihre Tochter zurücklässt, um den morbiden Todesfällen auf den Grund zu gehen. Was von Anfang an seltsam anmutet ist die Tatsache, dass ihr Kollege Alex Casey einer Romanfigur von Wake absolut ähnlich sieht und uns Spieler:innen in Wort und Bild und Verhalten sehr stark an Max Payne erinnert. Saga läuft also herum, sammelt Spuren, spricht mit Leuten und nutzt dann ihre Fähigkeit, sich in einen Gedankenpalast zurückzuziehen, um diese Spuren in Form von Polaroid-Fotos, zu sortieren, Fällen und Gedankengängen zuzuordnen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Außerdem hat sie die Fähigkeit die wahren Gedanken einer Person zu ergründen – was alles in ihrem Kopf passiert. Eine Fähigkeit, die im Laufe der Handlung erklärt wird und für ein paar wichtige Story-Twists notwendig ist.

Das Gameplay ist simpel: Herumlaufen, reden, „Besessene“ mit Licht von ihrem Schutzschild aus Dunkelheit befreien und dann mit was immer man für Waffen hat, für Ruhe sorgen. Im Wald gibt es natürlich mehr von diesen Typ:innen mit Tiermasken als in der Stadt. Generell ist die Gegend relativ weitläufig und ein paar der Szenarios sind richtig cool geworden. Zum Beispiel ein alter Vergnügungsparkt mit … interessantem Grundthema.

Die zweite Seite (im doppelten Wortsinn) ist Alan Wake, der durch eine Albtraumversion eines Teils von New York herumirrt, durch Licht manche Orte zugänglich machen kann und außerdem – als Gegenstück zum Gedankenpalast von Saga – in seinem Schreiberaum den Orten an denen er sich aufhält Rollen zuweisen kann, die zu seiner Story passen und so seine Umgebung verändern. Die Geschichte, die er schreibt ist immens wichtig, denn sie sickert durch in die reale Welt und verändert diese. Und es ist eine Horrorstory die er bis zum Ende durchziehen und auch schreiben muss, wenn er jemals wieder hier rauskommen will.

Ein Teil der Spannung ist der Wechsel zwischen den beiden Figuren, da spätestens als Wake in Sagas Realtität auftaucht, sich die Frage stellt, WANN welche Story stattfindet. Spielt Wakes Geschichte vor der von Saga statt? Oder danach? Oder parallel? Oder gibt es solche Begriffe überhaupt nicht, denn immerhin schreibt Wake ja eine Geschichte, welche die Realität per se beeinflusst. Spannend.

Die Story ist cool und hält bei der Stange, was primär daran liegt, dass die Figuren, die auftauchen allesamt cool geschrieben sind, ihre eigene Agenda haben, teils zwielichtig sind und man einfach wissen möchte, wie das denn bitte weitergeht. Auch die Machart ist sehr gut gelungen – immer wieder kommen Videosequenzen, teils direkt in die Spielwelt projiziert, zum Einsatz – und die Optik pendelt zwischen unglaublich detailliert und großartig und PS2-Niveau (manches Auto am Straßenrand könnte aus „GTA 3“ stammen). Aber man gewöhnt sich daran.

Um mich kurz zu halten: Die Story, Atmosphäre und Figuren halten bis zum Ende bei der Stange, auch wenn selbst Remedy gemerkt haben dürften, dass die Sache zum Teil ein wenig beim so genannten „Pacing“ schwächelt, weshalb es dann gegen Ende ziemlich flott dahingeht. Schwer ist das Spiel auch nicht, nicht mal die Boss-Fights sind per se eine Hersauforderung, wenn man den Dreh mal raus hat.

Ja, „Alan Wake 2“ ist ein gänzlich anderes Spielgefühl als der erste Teil und hat seine richtig starken Momente, die für mein Empfinden aber alle bereits in der ersten Spielhälfte vorkommen. Dann ist es „business as usual“ und das finde ich schade. Ja, die Story-Beats kommen in der zweiten Hälfte öfter, aber die Innovationen bleiben dafür aus. Hätte man sicher besser hinbekommen können.

Schauen wir mal, was die bereits angekündigten DLC bringen. Und – nur als Randnotiz – die Zusammenführung der Universen von „Control“ und „Alan Wake“ und „Max Payne„“ funktioniert und man darf gespannt sein, was da noch so kommt.

Und dass sich „The Poets Of The Fall“ so in das Remedy-Universum integriert haben, dass sie hier als Charaktere (die Band „Old Gods Of Asgard“) auftreten ist auch fein. Zumal alles eng mit der Story verwoben ist. Auch die Musik ist zu einem richtig großen Teil ein wichtiger Bestandteil des Spiels, denn sie gehört fix zur Handlung und was soll ich sagen: Extrem cooler Soundtrack, der die Emotionen perfekt trifft. Aber das war ja irgendwie zu erwarten.

„Alan Wake 2“ bekommt von mir 8,5 von 10 möglichen, hauptsächlich durch Story, Charaktere und Figuren und weniger durch Gameplay überzeugende, Punkte.


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