Horizon Zero Dawn (Game-Review)

Die Welt, wie wir sie kennen, ist nicht mal mehr Geschichte. Was ist: Ein blühendes Land mit vielfältiger Natur. Menschen, die in Stämmen leben, sich mit Maschinenteilen schmücken und mit Bogen Jagd machen, während sie entweder die Sonne oder den Schatten oder die „All-Mutter“ anbeten, die irgendwie hinter einer undurchdringlichen Stahltür zu leben scheint.

Was noch ist: Maschinen. Riesige Maschinen, die wie Tiere und oder Saurier aussehen und die Erde bewohnen und sich scheinbar von Rohstoffen ernähren. Niemand weiß, woher sie kommen. Sie waren schon vor den Menschen da.

Und: Aloy. Von ihrem Stamm verstoßen, weil sie keine Mutter und keinen Vater hat. Von einem anderen Ausgestoßenen aufgenommen und wie seine Tochter großgezogen, lernt sie zu jagen und allein zu überleben, während sie immer wieder mit ihrem Schicksal hadert und versucht Anschluss an ihren „alten“ Stamm zu finden, den sie eigentlich nicht kennt und der sie meidet.

Aber Aloy hat ein Geheimnis: Sie hat als kleines Mädchen in einer Maschinenruine ein Gerät gefunden, welches ihr digital Dinge zeigt, die sonst niemand sieht. Und irgendwie scheint das Geheimnis um Aloys Herkunft mit den Maschinen und dem Ende der Welt zusammenzuhängen …

Was kann man so viele Jahre nach dem Erscheinen und dem Erscheinen des Nachfolgers und dessen Add-On über ein Spiel schreiben, was noch nicht geschrieben wurde? Nicht viel, vermutlich.

Ich versuche es trotzdem mal: Als „Horizon Zero Dawn“ erschien habe ich es mir ziemlich rasch gekauft, weil ich gehört und gelesen hatte, wie großartig es ist. Beim ersten Anspielen war nach ein oder zwei Stunden die Luft raus. Sorry, kein Interesse. Der Funken sprang nicht über. Mein Kopf verstand, was daran super war, von der Grafik angefangen über die Inszenierung und mit Bogen schießen ist ohnehin immer toll.

Aber emotional … mir war langweilig. Das Ding hat mich sowas von nicht abgeholt, dass ich mir vorgenommen habe, es irgendwann mal nachzuholen, aber dann blieb es lange, lange liegen.

Dann kam der zweite Versuch und ich bin wirklich eine ganze Ecke weitergekommen, habe versucht mit darauf einzulassen, aber tatsächlich war es wie beim ersten Mal: Mir war langweilig. Ich habe es halt gespielt, weil ich es gekauft hatte. Irgendwann dachte ich mir aber, warum ich mir das antue und hab es wieder bleiben lassen.

Der dritte Versuch kam vor knapp zwei Monaten. Ziemlich demotiviert habe ich es installiert und halt mal wieder reingespielt, weil immerhin gibt es ja jetzt den zweiten Teil, der ganz gut sein soll und naja, es liegt ja auch hier herum.

Und ich kann nicht sagen, was es genau war, aber dieses Mal hat es in mir „klick“ gemacht. Vielleicht ist es die Tatsache, dass ich dieses Mal wirklich interessiert daran war, das Spiel zu verstehen. Dass ich mir dachte, vielleicht habe ich beim ersten Mal etwas falsch gemacht. Ich hatte es auch als extrem schwer in Erinnerung. Dieses Mal aber nicht.

Die Kämpfe, die ich in den ersten beiden Versuchen bestritten hatte, waren frustig. Bereits die leichten Biester (Watcher) haben mir mehrmals den Gar ausgemacht. Von den größeren Monstren (ich glaube, ich bin nur bis kurz nach dem ersten Sawtooth gekommen) will ich gar nicht anfangen.

Aber dieses Mal ging ich es anders an. Nicht mehr wie ein Actionspiel: Reindüsen, rumballern (wenn man das mit Pfeilen so nennen kann) und wissen, dass einen nichts aufhalten kann. Denn das kann es. Und das tut es. Und das hat es sehr, sehr oft getan. Dieses Mal habe ich mir überlegt, wie ich da Biest zu Fall bringen kann. Habe Fallen gestellt, mir Schwachstellen in der Panzerung gesucht und siehe da: Das war ja gar nicht schwer. Das war sogar … richtig, richtig … cool. Und ziemlich befriedigend.

Ehe ich mir versah, bin ich dem Spiel verfallen und war richtig gespannt auf die nächsten Maschinenwesen. Und ich wurde von keinem enttäuscht. Der erste Kampf gegen einen Snapmaw hat mich vor Spannung fast nach vorne vom Sessel kippen lassen. Der erste Thunderjaw hat mich in meinen Sitz gedrückt. Und jedes Mal, wenn ich das erste Mal so ein Biest erlegt hatte, war ich richtig und mächtig stolz auf mich. Wohl wissen, dass Millionen Spieler:innen das auch schon vor mir gemacht hatte. Völlig egal. Das hier … das war persönlich.

Und damit kommen wir zu Aloy. Die ist nämlich die Hauptperson von „Zero Dawn“ und hat mich zu einhundert Prozent abgeholt. Neugierig, nach Wissen strebend, zielgerichtet, aber dabei nicht ungehobelt und grob, sondern das Herz am richtigen Fleck. Natürlich hat sie ihr Problem mit ihrem Stamm, der sie zuerst als Ausgestossene behandelt und später quasi anbetet – grandiose Szene übrigens: „No! You don’t bow before me! First you cast me out and then you bow before me?!“ und das nämlich richtig sauer, so sinngemäß „Habt ihr sie noch alle?“. Auch ihr Umgang mit den Charakteren, die sie trifft, trifft sie meistens einen Tonfall den ich sehr geschätzt habe. Sie macht andere nicht runter, sie vergibt, aber sie kann auch ganz gut austeilen, wenn die Situation es erfordert und irgendwie hab ich immerzu verstanden, warum sie so reagiert, wie sie reagiert.

Und auch die Nebencharaktere, die – sind wir ehrlich – nicht wirklich lang und oft vorkommen, sind super geschrieben. Erend zum Beispiel, der mir rasch ans Herz wuchs. Aber auch kleinere Nebenfiguren aus Nebenquests, die jetzt nicht mal wirklich lang vorkommen, haben zumindest so einen Eindruck hinterlassen, dass ich am Ende des Spiels, vor dem finalen Kampf überrascht war, nochmals auf diese zu treffen und sogar noch zu wissen, wer sie waren. Das war in anderen Spielen schon ganz anders.

Apropos finaler Kampf: Der war enttäuschend, weil er weit epischer hätte sein können und nach diesem Aufbau (man kann nochmals mit allen Nebenfiguren reden und der Kampf wird sehr hochstilisiert) war es dann doch überraschend … einfach.

Noch ein Wort zur Story, die ich eigentlich per se noch gar nicht richtig erwähnt habe: Ja, es wird erklärt, warum da Maschinen wie Tiere aussehen und zB grasen. Es wird geklärt, warum die Menschen nach den. Maschinen gekommen sind. Es wird erklärt, was mit „uns“, also der aktuellen Zivilisation passiert ist und warum nur noch Ruinen übrig sind und die Story ist … abgehoben, schräg, viel Erklärungen in diversen Missionen durch Audio-Clips oder E-Mails und teilweise auch Cutscenes. Genau genommen viel Sci-Fi-Gelabe, welches man entweder durch „Suspension of Disbelief“ hinnimmt und spannend und kreativ und schockierend findet, oder man hält die gesamte Prämisse für doof und dann hilft die Erklärung auch nicht, es besser zu machen.

Fand ich die Story gut: Auf jeden Fall. Grandiose Ideen drin. In meinen Augen zumindest. Und ich war ziemlich sprachlos wie viel Liebe und Detailarbeit in die Erarbeitung dieser Endzeitwelt und ihrer Vorgeschichte geflossen ist. Hut ab, muss ich da sagen. Wirklich ziemlich cool.

DLC: THE FROZEN WILDS

Es gibt einen Zusatz-Content, namens „Frozen Wilds“, der euch in die Tiefe Schneelandschaft Ban-Ur führt und dort ist es kalt. Richtig kalt. Und dort treibt eine Variante der „Korruption“, welche die Maschinen im Hauptspiel befällt, ihr Unwesen. Warum das Sinn ergibt, würde Spoiler aus der Hauptstory bedeuten, aber hey – ich fand den DLC angenehm fordernd mit neuen, teilweise heftig schweren Maschinenkämpfen (Fireclaws, sage ich nur. Oder Scorcher). Und die Story war wirklich gut erzählt inklusive wirklich epischem Finale. Fand ich in seiner Abgeschlossenheit und emotionalen Erzählweise fast besser als die im Hauptspiel, wohl auch, weil weniger Figuren, eine kleinere Karte und eine weit persönlichere Geschichte vorkommen.

Alles in allem hab ich knappe 45 Stunden gebraucht und jede davon genossen.

Oh – und die Synchronsprecher:innen sind allesamt (allen voran Ashley Birch als Aloy) ein Hammer. Auch wenn die Gesichtsanimationen teilweise schräg und wild waren (PS5), aber hey – da sehe ich gerne darüber hinweg.

„Horizon Zero Dawn: Complete Edition“ bekommt von mir klare 9 von 10 möglichen, im dritten Versuch bei mir zündende, Punkte.


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