Geralt von Riva (oder Rivia) ist Hexer, ein Mutant, ein Ausgestoßener. Er lebt davon Ungeheuer zu jagen und für Geld zur Strecke zu bringen. Durch sein Hexer-Training ist er anders als die Menschen. Schneller, dafür gefühlskälter. Stärker, dafür vergiftet und steril.
Nachdem das Land Nilfgard über Temerien hergefallen ist und offener Krieg die Straßen überzieht ist Geralt auf dem Weg seine Geliebte Yennefer zu finden und auch seine Ziehtochter Ciri macht ihm Sorgen, die Herrin der Welten. Was als persönliche Suche beginnt, nimmt bald Ausmaße an, die den Lauf der Welt entscheidend verändern könnten …
Was kann man zu einem Spiel noch schreiben, dessen Krone um die 300 „Spiel des Jahres“-Auszeichnungen zieren? Nicht viel, vermutlich. Für alle, die es nicht wissen: „The Witcher“ ist eine Romanfigur von Andrezj Sapkowski, ein Pole. Der Name der Figur lautet (je nach Übersetzer) Geralt von Riva oder Rivia. Er ist wie oben beschrieben Monsterjäger, aber tatsächlich auch so viel mehr. Die Romane (ein paar Bände mit zusammenhängenden Kurzgeschichten, sowie fünf zusammenhängende Teile für den so genannten Geralt-Zyklus) sind auch in der deutschen Übersetzung großartig und wirklich fantastisch zu lesen. Dunkle, witzige, flotte und coole Fantasy, die weniger ehrenhaft ist als „Herr der Ringe“, aber nicht weniger episch.
Die Reihe war mit dem fünften und letzten Teil namens „Die Dame vom See“ eigentlich abgeschlossen. Bis ein kleines, unbekanntes Entwicklerstudio aus Polen, mittlerweile den Namen CD Project RED tragend, im Jahre 2007 ein Spiel mit genau diesem Geralt von Rivia/Riva veröffentlich hat. Ein Spiel, welches interessanterweise NACH den Ereignissen aus den Büchern stattfindet. Das ist insofern spannend, weil es nach dem Romanende eigentlich mit Geralt jetzt gar nicht groß weitergehen KANN, aber das hat die Jungs nicht gestört und aus genau der Frage „Wie kann das sein?“ zauberten die werten Herren ein Spiel im Stil von „Neverwinter Nights“ mit einem extrem coolen Hauptcharakter und verdammt vielen, super ausgearbeiteten Nebenfiguren. Was ich damals eben noch nicht wusste: Die kommen auch alle in den Büchern vor, also gab es sie schon vorher. Dennoch: Das Spiel ist zwar nicht gut gealtert (optisch), macht aber immer noch Spaß. Das Teil war allerdings so verbuggt, dass später eine „Enhanced Version“ veröffentlich wurde, die wesentlich runder lief.
2011 kam der zweite Teil mit dem Untertitel: „Assassins Of Kings“, der gerade mal so ziemlich alle mit offenem Mund dasitzen ließ, da das Spiel optisch unglaublich gut aussah, die Welt glaubwürdig wirkte, die Charaktere super waren und CD Project RED hatte sich sogar die Mühe gemacht das Spiel in drei Akte zu teilen, wobei der zweite Akt, ja nach einer Entscheidung am Ende des ersten, völlig woanders(!) stattfand als bei der anderen Option, was neue Charaktere, neue Einblicke in die Handlung, Dialoge und Quests erlaubte, bevor die Story im dritten Akt wieder zusammengeführt wurde. Schon damals war ich platt mit welcher Liebe zum Detail und ausufernden Aufwand die Polen dieses Spiel umgesetzt hatten. Auch hier folgte kurz darauf eine „Enhanced Edition“ mit neuem Intro, aufgepeppten dritten Akt, und so weiter.
Dann kam das Gerücht um „The Wichter 3: Wild Hunt“ auf. Eine offene Welt. Sandbox. Fesselnde Story. Zwei Dinge, die noch nie so richtig geklappt haben kombinieren. Riesige Welt? Hm. Fesselnde Story? Hm. Die Skepsis war groß. Relativ rasch wurde dann noch angekündigt, dass es 16(!) Gratis-DLC geben würde und zwei kostenplichtige Add-Ons mit den Titeln „Hearts Of Stone“ und „Blood And Wine“. Die Skepsis wurde noch größer.
Und doch hätte man beruhigt sein können, denn „The Witcher 3: Wild Hunt“ hat alle Versprechen erfüllt. Die Welt ist zwar nicht zu einhundert Prozent offen (es gibt verschiedene abgeschlossene Gebiete), diese sind dafür extrem groß, detailiert und mit viel, sehr viel Liebe entworfen. Es gibt darin jede Menge zu tun – seien es nun Monsterjagden, Gespräche, Händler, Aufträge oder einfach nur Gegenden die man erkunden kann, um dort Schätze, interessante Monster oder coole Beute zu finden.
Die Story – ist im ersten Anlauf vor allem für Leute, die wirklich alles verstehen wollen und alle Zusammenhänge kennen wollen, eher verwirrend. Das liegt daran, dass „The Witcher 3“ extrem auf die Bücher aufbaut. Sicher, der Glossar im Spiel erklärt jederzeit wer die Personen sind und woher Geralt sie kennt, wer aber die Bücher gelesen hat (was ich allen empfehle, egal ob er/sie das Spiel spielen möchte oder nicht) wird sicher eine größere emotionale Bindung zu ihnen haben. Ich zB hab nach gut der Hälfte mit dem Spiel aufgehört um die Bücher zu lesen, da ich zwar die ersten beiden Teile des Spiels kannte und ich der Handlung folgen konnte, in mir aber dennoch der Verdacht aufkeimte, es würde irgendwie mehr Spaß machen, wenn ich die Bücher kenne.
Und ich hatte Recht. Vor allem die (oftmals sehr belasteten) Beziehungen der Charaktere untereinander wurden im Spiel super umgesetzt, aber nie näher erklärt, von kurzen Dialogzeilen abgesehen. Yennefer zum Beispiel fand ich die meiste Zeit über präpotent, arrogant, um nicht zu sagen: unausstehlich. Nachdem ich die Bücher gelesen hatte, war mir plötzlich klar, weshalb sie sich genauso verhalten muss und ich konnte sie daraufhin verdammt gut leiden. Ähnlich ging es mir mit anderen Charakteren. Auch wenn prinzipiell keine Vorkenntnisse nötig sind: Besser ist es in jedem Fall, wenn man sie hat (und ich kann nur nochmals empfehlen, die Bücher zu lesen, auch wenn man nie vorhat das Spiel zu spielen).
Wenn man es auf die reine Mechanik runterbricht, so kann „The Witcher 3“ ein sehr komplexes Spiel sein, vorausgesetzt man mag sich mit Tränken, Zeichen, Rüstungen, Schwertern, Schmieden, etc auseinandersetzen (vom Kartenspiel „Gwent“, das ein Spiel im Spiel ist und hohes Suchtpotential hat, noch gar nicht zu reden). Tränke und Co sind nämlich ab der Stufe „normal“ ziemlich wichtig und bei manchen Kämpfen unbedingt notwendig – und kämpfen werdet ihr viel. Es ist eine bedrohliche Welt, in welcher Geralt lebt. Wenn euch das alles zu mühsam ist und ihr nur die Story erleben wollt, dann spielt ihr einfach auf dem leichten Schwierigkeitsgrad (der sogar den Titel „Just The Story“ trägt), dann könnte ihr euch zwar immer noch mit dem Rundherum befassen, im Grunde kommt ihr aber mit den Schwertern aus.
Was halte ich nun von „The Witcher 3: Wild Hunt“. Nun, kurz gefasst: Für mich ist es das beste storygetriebene Rollenspiel der letzten zehn Jahre. Die Atmosphäre ist großartig, die Grafik atemberaubend. Ich habe selten so unglaublich schöne Momente in einem Spiel gesehen, die einfach „nebenbei“ passiert sind. Einen Hügel hinaufreiten (ja, Geralt darf jetzt reiten), während zwischen den Bäumen, die sich im Wind wiegen, die Sonne aufgeht. Regen sieht großartig aus. Gewitter sind wirklich, wirklich düster und bedrohlich. Ein Zweikampf mit einer Leshe, während rundherum Blitze zucken, der Regen peitscht und die Bäume sich biegen – das ist Stimmung, die andere nicht einmal inszeniert hinbekommen, hier passieren sie einfach nebenbei. Das Art-Design ist kitschig-perfekt bis augenausfallend gruselig. Hier stimmt einfach alles perfekt zusammen. Besser geht es meiner Ansicht nach nicht mehr, beziehungsweise brauche ich es auch gar nicht mehr besser. Optik, Mimik – alles stimmig. Auch die Welt rundherum ist bevölkert von vielen Leuten und alles wirkt … lebendig. Die Inszenierung, welche sogar bei kleinen Nebenquests wirklich ins Detail geht, ist streckenweise filmreif, teilweise sogar besser. Da waren echte Profis am Werk.
Natürlich gibt es auch ein paar Mankos: So ist gerade das erste Gebiet leider auch das Gebiet in welchem die meisten Fehler zu finden waren und ich den gleichen Dialog von drei Figuren an der gleichen Straße in der gleichen Haltung im gleichen Wortlaut mindestens fünf Mal in der ersten Spielstunde gehört habe. Das war kein guter Einstieg. Allerdings hat sich das später nicht mehr wiederholt. Dann gibt es hin und wieder in engen Räumen ein Problem mit der Kamera (speziell bei Kämpfen) und das Kampfsystem mit dem vielen herumgerolle ist noch immer nicht jedermanns Sache, funktioniert aber nach ein wenig Übung perfekt und nach einer Weile hat man den Dreh dann raus. Gefallen muss es einem dennoch nicht.
Das Ende fand ich ein wenig zu kurz, aber das war zu erwarten, da mich das Spiel so oft mit Highlights konfrontiert hat, dass ich mich schon darauf eingestellt hatte, vom Ende wohl ein wenig enttäuscht zu werden. Aber in Summe ist alles stimmig. Was ich extrem toll fand: Es gibt eine Mission in Kaer Morhen, die gefühlsmäßig in anderen Spielen das Highlight und Ende gewesen wäre. Bei „The Witcher 3“ geht es danach noch weiter – stimmig, mit Bedacht und ausgeklügelt weiter. Aber das hatte ich nach der Lektüre der Bücher auch erwartet, denn genauso funktionieren auch die Romane. Wunderbar.
Mittlweile gibt es eine „Game Of The Year“-Edition, welche alle 16(!) Gratis-DLC beinhaltet und – soweit ich weiß – auch die beiden kostenpflichtigen Add-Ons, sowie (fast) alle Patches. Um einen Download von zusätzlichen Patches werdet ihr nicht herumkommen, denn das Spiel erhält logischwerweise immer noch Support.
„Hearts Of Stone“ ist die erste Erweiterung, die euch eine Weile gut unterhalten wird, allerdings sind hier „nur“ neue Personen und teilweise Orte in die bereits bekannte Welt gepflanzt worden bzw diese jetzt bewohnt. Storymäßig gibt man sich tragisch-witzig und die Inszenierung ist dichter als im Hauptspiel. Die Charaktere sind super ausgearbeitet und die Spannung bzw. die Quests sind abwechslungsreich und ein paar der Entscheidung im Spiel werdet ihr vermutlich nachdem ihr sie getroffen habt in Frage stellen. Die Anlehnung an einen Faust’schen Pakt sieht man zwar von weitem kommen, aber die Sache macht wirklich Spaß, ist verdammt kurzweilig und fügt sich gut ins Spiel ein. Auch der Runenschmied, der hinzugefügt wird, erweitert die Rollenspielanteile und was wünscht man sich meher? Alles in allem eine vom Umfang her passende und in der Umsetzung her dem Hauptspiel in absolut nichts nachstehende Erweiterung.
Die zweite Erweiterung trägt den Namen „Blood And Wine“ und führt Geralt in eine vollkommen neue Gegend, die Fans bereits aus den Büchern bekannt sein dürfte. Hier ist die Inszenierung meiner Meinung nach noch schneller und die Story ist auch größer, außerdem trifft man alle naselang auf Charaktere aus dem Buch – auch auf solche, die zu treffen man nicht für möglich gehalten hätte. Toussaint (dort spielt das Teil) ist optisch an Frankreich mit all seinen Weinbergen inspiriert und sieht auch fantastisch aus. Bunter, entspannter und auch die Architektur sieht anders aus. Eine eigene, kleine Welt inmitten des vom Kriegs zerstörten Temerien. Eine Oase des Friedens … wenn da nicht diese bestialischen Morde wären.
„Blood And Wine“ fügt dem Spiel dann noch neue und andere Gegner hinzu, bietet ein völlig neues Gebiet und außerdem kommen Mutationen dazu, die Geralts Fähigkeiten verändern und ausbauen. Außerdem ist die letzte und abschließende Erweiterung zwar immer noch düster aber eine ganze Ecke witziger geraten und an allen Ecken und Enden findet man Anspielungen auf die Spielkultur oder bekannte Märchen (in Hearts Of Stone wurde der „Froschkönig“ ein wenig entzaubert), was in den Büchern auch laufend passiert und hier kommt zB ein Mann namens MANCOMB vor, der einen Faustkampf lieber mit Beleidungen austrägt (Ja, das klingt nach Monkey Island und der Name als auch die Optik des Kerls sollten alles sagen) als mit den Fäusten.
Alles in allem kann ich mir nur schwer vorstellen, wie man „The Witcher 3: Wild Hunt – Game Of The Year“ irgendwie noch übertreffen kann. Die paar Bugs kann man vielleicht noch ausmerzen, aber von Optik, Atmosphäre, Stimmung, Musik, Inszenierung und dem Preis-Leistungs-Verhältnis … ich glaube, da kann was immer noch kommt einpacken. CD Project RED haben hier nichts anderes als ein Meisterwerk geschaffen. Punkt.
„The Witcher 3: Wild Hunt – Game Of The Year-Edition“ bekommt von mir 9,5 von 10 möglichen, die 0,5 für die paar kleinen, erwähnten Bugs abziehende, Punkte. Wem die nicht stören (und sie sind nicht weiter tragisch) kann getrost nochmal 0,5 Punkte draufschlagen.
PS: Das Spiel richtet sich in Optik, Gewalt, Freizügigkeit und auch in den Themen DEFINITIV an Erwachsene. Teilweise kommt sehr starker Tobak vor und manche Quests und Begebenheiten sind auf KEINEN FALL für Kinder geeignet (nur als Anmerkung für Eltern, die gern mal übersehen, was ihre Kids da spielen: Ihr wurdet gewarnt).
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