Als wir Max das erste Mal wiedersehen steht er Mona Sax gegenüber. Killerin. Tote. Relikt aus seiner Vergangenheit. Blitze zucken über den Himmel. Regen fällt. Die Polizei hat die Villa umstellt und ruft sich bellende Kommandos zu. Mona lächelt traurig. Sie wirkt schwach, zerbrechlich. Max‘ Gesicht ist hart. Gezeichnet von Trauer und seinem Leben. Donner. Er sinniert. Über sein Leben. Über all die Fehler, die er gemacht hat. Darüber, dass er am Ende des Weges angekommen ist und alles falsch gemacht hat. Und er sucht nach dem einen Fehler, den er gemacht hat, dem einen Punkt, der ihn alles gekostet hat.
Die Zeit zurück um einen Tag – Max erwacht im Krankenhaus. Er ist schwer verwundet, aber er kämpft sich durch die leeren Gänge, bis er vor ihr steht. Sie ist tot. Und er hat sie getötet.
Nochmals zwei Tage zuvor: Ein Routineeinsatz. Ein Notruf aus einer von Vladimirs Lagerhallen. Max ist in der Nähe. Fährt hin, um sich die Sache anzusehen. Er weiß noch nicht, dass er damit einen Stein ins Rollen bringt, der seine Vergangenheit neu aufwirbelt und ihn letztlich unter sich begraben wird. Dabei wollte er doch nur seinen Frieden finden.
Das traurigste Spiel, dass ich je gespielt habe. Der größte Antiheld, der es doch irgendwie immer nur gut meint und jedes Mal doch wieder Mist baut. Nicht, weil er kein netter Kerl ist. Nicht, weil seine Absichten unlauter wären. Nicht, weil er sich nicht bemühen würde. Aber Max zieht Probleme einfach an, mehr als ein Magnet Eisspäne, sogar mehr als ein KHG die Steuerfahndung. Weil er einfach nicht besonders intelligent ist. Noch dazu ist Max einfach ein netter Kerl, der gerne an die Menschen um ihn herum glaubt, auch wenn ihm das Leben noch so oft zeigt, dass er niemanden trauen kann und darf – er tut es immer wieder. Ein ums andere Mal lernt er nicht dazu. Denn dieses Mal … dieses Mal muss doch alles anders kommen.
Wer von „Max Payne 2 – The Fall of Max Payne“ spricht, der tut dies oft mit glänzenden Augen. Denn die Erinnerung daran, das Spiel das erste Mal mit all seinen Wendungen, Story-Twists, haarscharf gezeichneten und zwielichtigen Charakteren und allen voran – dem guten, einfältigen, naiv gutgläubigen Max, den immerzu die Hoffnung auf Glück und die Sehnsucht nach Antworten vorantreibt, ist einfach eine verdammt schöne Erinnerung und für mich klar das Spiel des Jahres 2003 (Und das obwohl 2003 auch das Jahr von „Knights Of The Old Republic“, „Warcraft 3: Frozen Throne“ und „Beyond Good And Evil“ war).
Die einzelnen Levels spielen sich zwar – wie schon im Vorgänger – zu 100% linear und letztlich läuft es wieder auf das gleiche Prinzip hinaus: Ballern und Laufen. Aber – und das ist ein wirklich, wirklich großes Aber – die tragische, nachvollziehbare Geschichte, die detailreichen Level (die sogar heute noch super aussehen), die coolen Bullet-Time-Effekte und Manöver, die lebendigen Levels und die eingestreuten „Goodies“ (ich sag nur Late Goodbye) bis hin zu den dramatischen Wendungen und Ereignissen, den Zwischensequenzen im (erneut) Graphic Novel-Stiil, der erneut genialen Vertonung und den brillant geschriebenen Texten … es gibt nichts zu meckern. Selbst nach dem x-ten Mal durchspielen (denn in knapp sechs Stunden hat man das Ende gesehen) ist das Spiel immer noch super und macht immer noch Spaß.
Wer den ersten Teil verpasst hat, wird leider mit der Story nicht allzu viel anfangen können, bzw. die wirkliche Geschichte und Tragweite nicht verstehen, denn Erklärungen – wer welche Person ist und woher Max wen kennt – findet man in Max Payne 2 wenig bis selten. Die Entwickler verlassen sich darauf, dass man die Figuren, die erneut auftauchen kennt und denen gegenüber auch eine gewisse Erwartungshaltung verbindet, die sie dann entweder einlösen oder auch überraschend abändern. Ein Lob erneut an Sam Lake, der auch die Geschichte von Teil 2 geschrieben hat und seinen Spielern ein gewisses Maß an Intelligenz zuspricht, denn die Erzählweise springt sehr oft zwischen mehreren Zeitebenen herum – Hut ab, dass man trotzdem nie den Faden/Überblick verliert.
Auch die guten alten Serien auf den TV-Schirmen sind wieder mit dabei – und damit auch „Captain Baseball Bat Boy“, der in Teil 2 auf eine sehr makabere Weise einen sehr großen und wichtigen Auftritt hat.
Neu in Teil 2 ist auch, dass man streckenweise die Rolle von Mona Sax – ihres Zeichens Auftragskillerin und Femme fatale, sowohl Love Interest von Max – übernimmt. Somit werden Teile der Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt und in manchen Abschnitten muss Mona Max Feuerschutz geben. Das macht die Sache interessant, vor allem, wenn manche Kommentare von zB Mona die Max über Funk hört, erst Sinn ergeben, wenn man ihre Seite der Story gespielt hat. Spannend und interessant (ich sage nur: Max findet ein Aresenal an Schusswaffen und funkt Mona an: „These guys are highly professional“ – Monas Antwort: „Doesn’t look that way from where I’m standing“ Max: „What are you tallking about?“ Mona: „Nevermind“ In der Rolle von Mona hat man die gleiche Szene, allerdings sieht man, was sie sieht: Zwei der „Profikiller“ unterhalten sich über den Ententanz und der eine zeigt dem anderen gerade vor wie das geht).
Das Hauptthema in der Musik ist traurig schön und derart passend mit den Bildern verwoben, dass man es taglang vor sich hinsummt und immerzu im Kopf eine Villa mit Blitzen darüber und Max‘ trauriges Gesicht vor Augen hat. Mal ganz davon abgesehen, dass der Song „Late Goodbye“ von den „Poets Of The Fall“ eines der besten Abspannlieder ist, die ich je gehört habe (dicht gefolgt von Mirror’s Edge „Still Alive“ und klarerweise Portals „Still alive“), ist auch die restliche Musik absolut gut getroffen.
Was Remedy Entertainment mit „Max Payne 2 – The Fall of Max Payne“ geleistet hat, wurde oftmals sogar aus „Kunstwerk“ bezeichnet. So weit würde ich jetzt nicht gehen, was aber auf jeden Fall bis zu diesem Zeitpunkt noch nie erreicht wurde, ist die dermaßen perfekte Verschmelzung eines sehr simplen Spielprinzips mit einer Filmatmosphäre, die sich gewaschen hat. Wenn jemals jemand Fragen sollte, wie ein interaktiver Actionfilm aussehen muss – hier ist die Antwort.
„Max Payne“ bekommt von mir auch 2013 noch 9,5 von 10, mit sich und der Welt eine Kugel nach der anderen selbst zerstörende Punkte