Gylt (Game-Review)

Sally düst mit dem Rad durch die Gegend – sie hängt Poster auf, denn ihre Cousine Emily wird vermisst. Aber ein paar Jungs hindern sie daran und spielen ihr blöde Streiche, was dazu führt, dass sie allein und ohne Fahrrad flüchtend bei einer Seilbahn landet die sie zurück in die Stadt bringen soll. Und naja, der Schaffner ist ein wenig seltsam, aber immerhin lässt er Sally mitfahren. Aber am Weg passiert etwas – Sally wechselt scheinbar in eine andere Version der Stadt.

Hier ist alles leer, keine Menschenseele ist zu sehen oder zu hören – dafür sind seltsame Wesen unterwegs, die Licht scheuen und abartige Gewächse zieren die Wände und die Böden. Aber auch Emily ist irgendwo hier und Sally muss sie finden. Denn ein wenig fragt sie sich, ob nicht auch sie ein wenig Schuld („guilt“) auf sich geladen hat, denn Emily ist viel jünger als Sally und als „die Neue“ an die Schule gekommen. Aber es hat ihr niemand leicht gemacht. Keine Freunde. Schüchtern. Und Bullies. Hat Sally ihr geholfen? Oder war sie Teil des Problems? Wenn nicht, warum läuft Emily dann jedes Mal dabvon, wenn sie Sally sieht …

„Gylt“ ist ursprünglich ein Spiel gewesen, welches für die (nicht mehr exitierende) Streaming-Gaming-Abteilung von Amazon (aka „Stadia“) als Exklusivtitel entwickelt wurde. Nachdem das den Bach runter ging wurde das Spiel auch für andere Plattformen portiert. Und das ist gut so, denn „Gylt“ ist ein kleines, feines, gut durchdachtes, wenn auch eher leichtes, Horror-Adventure mit einer ernsten Story und einer richtig tollen Präsentation.

Wenn ihr euch schon mal gefragt habt, wie ein Horrorfilm von Pixar in ihren besseren Tagen ausgesehen hätte, dann habt ihr hier die Antwort. Die Optik könnte wirklich aus einem Pixar-Film entsprungen sein und macht richtig etwas her. Die niedliche Optik geht zwar ein wenig zu Lasten des Horrorfaktors, aber das Spiel ist ohnehin Horror-Light, also fällt das nicht so sehr ins Gewicht.

Ihr lauft in Third-Person-Perspektive als Sally durch die Spielwelt, sammelt Batterien für eure Taschenlampe, welche auch der Schlüssel zur Lösung von vielen Rätseln ist, sammelt Asthma-Sprays (Gesundheit) und später findet ihr auch noch einen Feuerlöscher, der euch hilft Dinge und Monster einzufrieren.

Die Orte, die ihr besucht haben durch die Bank ein tolles Design und das Spiel bzw. die Macher:innen geben sich diesbezüglich keine Blöße. Es bleibt bis zum Ende hin abwechslungsreich und überraschend – und vor allem immer toll anzusehen. Auch taucht das eine oder andere Boss-Monster auf, das – nochmals: Es ist kein schweres Spiel – zwar rasch zu besiegen ist, aber meistens toll inszeniert und auch fein in die Story eingeführt. Und alle haben natürlich (Silent Hill lässt grüßen) einen Bezug zur Situation von Sally und Emily.

Die Rätsel sind ziemlich leicht – ich bin nur einmal hängengebliegen und das lag daran, dass ich eine Pflanze übersehen habe, die ich mit der Taschenlampe kaputt machen konnte. War nervig, lag aber an mir. Meistens geht es darum an einen neuen Ort zu kommen, und dann zu versuchen alle Räume zu durchqueren, eben weil Emily sich ja wo aufhalten könnte. Was sie meistens auch macht, nur nimmt sie halt reißaus.

So richtig lange dauert das Spiel auch nicht, dafür gibt es drei verschiedene Enden, wobei es darauf ankommt, ob ihr alle Teile eines Tickets in der Spielwelt findet, ob ihr das dritte Ende überhaupt auslösen könnt oder nicht. Kleiner Spoiler: Das dritte Ende ist das Happy End. Die anderen beiden sind ein mehr oder weniger harter Schlag in die Magengrube. Aber zur Story passend und emotional rund.

Durch Tagebücher und andere Schnipsel wie Bilder findet ihr mehr und mehr über die Hintergründe und die Geschichte selbst heraus, wobei die Hauptstory durch gezeichnete 2D-Bilder erzählt wird, nur hin und wieder kommt mal eine Sequenz, die in der Engine präsentiert wird. Dabei bekommt man auch ohne Tagebücher und Co alles mit, was wichtig ist – die Tagebücher und Co bringen nur mehr Rundherum dazu, was auch fein ist und das Gefühl für den Ort vertieft, aber ein Muss sind sie nicht. Außer für Trophy-Hunter, aber das war vermutlich eh allen klar.

Alles in allem ist „Gylt“ wirklich gelungen.

Was ich noch erwähnen muss ist das Erzählen der Geschichte durch die Umgebung, oder konkrekt: Das Enviromental Storytelling ist wirklich fein, wenn meiner Ansicht nach auch hin und wieder etwas zu sehr aufs Auge gedrückt. Und ja, Schaufensterpuppen sind unheimlich. Da gibt es ein paar wirklich gruselige Szenen.

„Gylt“ bekommt von mir 7,5 von 10 möglichen, seine Sache sauber und gut, wenn auch für meinen Geschmack mit zu wenig Horror erzählte, Punkte.


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