Ed Wood (Filmkritik)

Ed Wood, den es in den Fünfziger Jahren nach Los Angeles verschlägt, ist von der Idee besessen, ein bedeutender Regisseur zu werden. Filme zu machen – diese Vorstellung lässt ihn in der Früh aufstehen und im Schlaf von Drehbuchänderungen träumen. Ein bloßer Traum bleibt jedoch auch eine echte Karriere, bzw. ein echter Erfolg. Eds Geschmack wird von seinen Zeitgenossen als hundsmiserabel eingestuft; als er dann Gelegenheit bekommt, tatsächlich Filme zu machen, ist er selbst der größte und oft leider auch einzige Fan dieser Kreationen.

Ed Wood

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Die Generation der heutigen Spät-Teenager wird sich in 20 Jahren an Captain Sparrow erinnern, wenn man sie fragt, welche Filmfigur sie mit dem Schauspieler Johnny Depp assoziieren. Die heute Dreißigjährigen werden „Edward mit den Scherenhänden“ als Depps Vorzeigerolle anführen. Und die Kindsköpfe beliebigen Alters werden „Charlie und die Schokoladenfabrik“ bis ans Ende ihrer Lebenszeit vergöttern. Der Film, den wir aber hier und jetzt besprechen – der wird nur Eingeweihten und Cineasten ein Begriff bleiben.

„Ed Wood“ ist ein kleiner Film eines großen und vor allem exzentrischen Regisseurs (Tim Burton), und er setzt es sich zur Aufgabe, das Leben eines anderen, weniger großen aber ebenso eigenartigen Regisseurs (genau: Ed Wood) nachzuzeichnen. Dass der Film damit zum „Bio-Pic“ gerät, ist klar. Dass er trotzdem ungemein unterhaltsam und nie seicht ist, ist ebenso erstaunlich wie erfreulich; der Film verdankt dies vor allem der trefflichen Inszenierung der Hauptfiguren und deren schauspielerischer Leistung. Und natürlich dem Drehbuch.

Was „Ed Wood“, den Film, witzig macht, sind die liebevoll eingebetteten Beziehungen zwischen Ed und seinen Gefolgsleuten, bzw. ihm und seinen Freundinnen. Vieles wirkt skurril, übertrieben. Bill Murrays überdrehte Rolle eines unmotivierten Transsexuellen wäre in jedem anderen Film eine echte Seltsamkeit. In „Ed Wood“ wird sie integraler Bestandteil einer absurden Welt, in der sich Querköpfe ganz anderen Kalibers tummeln: Morphiumsüchtige, schwedische Wrestler, Vampir-Schauspieler, Angora-Fetischisten, Schlachthausbesitzer und religiöse Fanatiker. Das Universum des Ed Wood hat für sie alle Platz.

Eines der wohl schönsten Beziehungsportraits ist dasjenige zwischen Ed und Bela Lugosi, gespielt mit viel Passion von einem großartigen Martin Landau. Der gealterte Ex-Star, der einst Dracula verkörpert hat, seither aber nur durch Absenz und Drogenabhängigkeit aufgefallen ist, erhofft sich anfangs von Ed, nochmals eine Chance zu bekommen, auf der Leinwand zu glänzen. Aufopfernd tut Ed auch alles dafür, diesen Herzenswunsch eines Alten zu erfüllen. Am Ende gibt er ihm mehr als das, nämlich seine uneingeschränkte Freundschaft bis in die letzten Stunden des Schauspielergreisen. Doch ein „großer Film“, ja der bleibt freilich für Ed wie für den späten Bela Wunschtraum.

„Ed Wood“ weiß sehr deutlich, was er ist – nämlich ein hochkarätiger Pseudo-Indiefilm, der von Überzeugungstätern gemacht wurde, die nicht auf kommerziellen Erfolg aus waren, sondern ihre Stellung in Hollywood nutzten, um ein kleines exzentrisches Nebenprojekt zu realisieren. (Darüber kann auch der Umstand, dass Tim Burton generell „gewagtere“ Filme macht, nicht hinweg täuschen.) Dabei sein ist alles: Bill Murray dürfte genauso wenig wie Johnny Depp, Patricia Arquette oder Sarah J. Parker wegen einer hohen Gage, sondern wegen der Originalität des Projekts mitgemacht haben. Dasselbe gilt wohl für den Komponisten Howard Shore.

Aus heutiger Sicht ist der Film primär wegen Johnny Depp interessant: Wer Depp lediglich als den „Captain“ kennt und immer schon einmal hören wollte, wie Depp (im Originalton) mit eingelegter Zahnspange klingt, der sollte sich „Ed Wood“ dringend ansehen. Wer Trashfilme liebt und mit dem (vielleicht auch verklärt romantisierten) Leben der respektiven Filmemacher sympathisiert, der ist ebenfalls an der richtigen Adresse. „Ed Wood“ ist kein langweiliger Film, wie man es von manchen ebenfalls in Schwarz/Weiß gehaltenen Jim-Jarmusch-Filmen sagen müsste. Er ist ein seltsames Projekt seltsam wirkender Menschen mit seltsamen Absichten und von einem noch seltsameren Geschmack Zeugnis gebend – ein Film, der seltsamer Weise gründlich zu unterhalten weiß.

Der Film „Ed Wood“ bekommt 7,5/10 Empfehlungspunkten und ist seit kürze auf Blu-Ray erhältlich.

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Die Special Features der nun erschienen Blu-ray Disc umfassen ein dreizehnminütiges „Making Of“, eine Kurzbiografie von Bela Lugosi samt Interview mit Martin Landau, einige nicht im Film enthaltene Szenen, einen Kinotrailer und insbesondere eine Audiospur mit dem Kommentar der Filmemacher. Ein unerwarteter Bonus ist ein kurzes Portrait des Theremins, des frühen elektronischen und im Score verwendeten Musikinstruments, das für zahlreiche Horror-Sounds verantwortlich war. Die Vielfalt der Extras überrascht und erfreut, speziell, weil anno 1994 die Erstellung von Zusatzmaterial noch nicht sosehr die Regel war wie heute.

Ed Wood Cover

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4 thoughts on “Ed Wood (Filmkritik)

  1. Ich find den auch ziemlich super (vor allem wenn man Ed Woods‘ „Plan 9 From Outer Space“ kennt – schlechtester Film aller Zeiten), dann ist ED WOOD von Burton ein MUSS.

    Übrigens … welche schlechten S/W-Filme von Jarmusch meinst du?

  2. Beim Jarmusch-Film dürfte es sich um einen der „Coffee & Cigarettes“ Filme gehandelt haben. Ich habe selbigen vor vielen Jahren mit einem Freund im Kino gesehen. Bis heute weiß ich nicht, ob der Kinobetreiber (es war ein kleines „Alternativ-Kino“) den Audiokompressor falsch eingestellt oder ob Jarmusch einen tauben Tonmann verwendet hatte. Es war schrecklich, und neben dem Sound fand ich auch die Handlung zum Davonlaufen.

    Spätere Jarmusch-Filme sind natürlich ganz anderen Kalibers. „Broken Flowers“ ist ja wirklich nur allzu oft zum Lachen. Jarmusch tut die Selbstkommerzialisierung gut; in meinen Augen ist sie sogar unverzichtbar – für alle außer die Selbstpeiniger unter den Cineasten.

    • Coffee & Cigarettes hat keine durchgehende Handlung, das sind zusammengewürfelte Episoden, die Jim Jarmusch im Laufe der Jahre mit „seinen persönlichen Helden“ zwischendurch gedreht hat, deren Inhalte sich im Grunde nur immer eben bei Zigaretten und Kaffee treffen (und die Tom Waits / Iggy Pop- Szene ist doch bitte ein Hammer!). Und ja, da dürfte wohl was im Kino nicht gut gelaufen sein, denn der Ton im Film ist problemlos und völlig „normal“.

      Ansonsten fand ich auch „Dead Man“ von Jarmusch und „Ghost Dog“ extrem gut.

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