American Mary (Filmkritik)

Mary Mason (Katharine Isabelle) ist eine Medizinstudentin, der eine blühende Zukunft als Top-Chirurgin bevorsteht. Wegen akuten Geldproblemen, arbeitet sie nebenbei in dem Nachtclub von Billy Barker (Antonio Cupo) als Tänzerin. Als sie nach einer Partynacht jedoch von ihrem Professor betäubt und missbraucht wird, ändert sich ihr Leben schlagartig.

Sie bricht das Studium ab und verdient bald ihr Geld mit illegalen Operationen an Menschen, die ihre Körper gerne extremen Veränderungen unterziehen möchten. Ganz nebenbei, mit Hilfe von dem heimlich in sie verliebten Billy, kommt sie so auch zu ihrer Rache an ihrem früheren Mentor und Vorbild. Mary spielt dabei ein gefährliches Spiel und muss darauf achten, dass sie nicht am Ende selber unter das Messer gerät.

American-Mary

Die kanadischen Zwillingsschwestern Jen und Sylvia Soska, die eine eigene Filmproduktionsfirma namens Twisted Twins Productions besitzen und sich hauptsächlich als Produzenten, Drehbuchautorinnen und Regisseurinnen die Zeit vertreiben, sind mit ihrem Traumprojekt zurück. Nach „Dead Hooker in a Trunk“ im Jahre 2009 folgten einige Kurzfilme, erst im Jahre 2012 entstand nun endlich ihr zweiter, rein in Kanada gedrehter Langfilm „American Mary“. Was die beiden das Horrorgenre liebenden Schwestern hier nun auf die Beine gestellt haben, funktioniert gleich auf mehreren Ebenen.

Erstens mal als Satire auf die heutige Zeit und die leicht übertriebenen/kranken Auswüchse, die die Suche bzw. Sucht nach physischer Individualität so mit sich bringt. Oder ist es das Streben nach dem völligen Eins werden mit seinem Vorbild? Keine Ahnung, aber wer wie eine lebendige Barbiepuppe aussehen möchte, der muss eben seine Nippel loswerden. Und die Vagina gehört zugenäht (soweit wie möglich) und alles was äußerlich sichtbar ist muss sowieso weg. Gespaltene Zunge wie eine Echse, Hörner wie eine Teufelchen? Alles kein Problem.

Nachdem Mary vergewaltigt wird, kippt der Film merklich und sie taucht gemeinsam mit dem Zuschauer völlig in diese exzentrische Welt ein, die stimmungsmäßig stark an einen Karneval der entstellten Kreaturen erinnert. Für das Erreichen des eigenen Traums werden hier Schmerzen und der Verlust eines normalen Lebens gerne in Kauf genommen und Geld spielt dabei scheinbar sowieso keine Rolle. Mary verdient so bald ziemlich viel und verliert neben dem Bezug zur Realität auch schnell die letzten Skrupel.

Die zweite Ebene hier ist natürlich die des Horrors. Was perfekt zum Rest des Filmes passt und ziemlich stark für ihn spricht ist die Tatsache, dass man zwar immer genau weiß was gerade passiert, die Kamera jedoch nur rund ums direkte Geschehen alles zeigt, doch nie genau die blutigen Details in den Vordergrund rückt. Dass man die Resultate der Operationen einige Male zu Gesicht bekommt, regt die Fantasie sowieso ausreichend an. Eine zu explizite Darstellung von Gewalt, hätte außerdem dem Rest dieses Trips sicherlich geschadet.

Was auch noch funktioniert aber wohl nicht für jeden nachvollziehbar in den eher extremen Auswirkungen, ist das hier anzutreffende persönliche Drama der Hauptfigur. Der Lebenstraum zerstört, keine Möglichkeit auf legalem Wege irgendeine Form von Gerechtigkeit zu erreichen. Die Möglichkeit illegal an eine Art von Genugtuung zu bekommen, ist verlockend nahe. Dass die Frage der Moral (außer in sehr kurzen Momenten von Mary) nur vom Zuseher gestellt wird, zeigt Marys Abstieg sehr schön und unterstützt das Gefühl, dass die ganze Sache am Ende wohl nicht gut ausgehen wird.

Schauspielerisch stiehlt die immer wieder unterschätzte Katherine Isabelle allen die Show. Ihre anfängliche Unsicherheit, der etwas unbedarfte Einsatz ihrer weiblichen Reize, das völlige Überfordertsein mit der Situation bis hin zur emotionalen Lähmung, das alles bringt sie auf eine sehr eigene Art rüber, ohne je zu übertreiben. So wirkt ihre Figur der Mary zwar storybedingt nicht immer sympathisch, bleibt aber die ganze Zeit über eine faszinierende Person, der man gerne bei ihrer Entwicklung zusieht. Sie liefert somit sicherlich eine der besten Performances ihrer Karriere ab, ab jetzt mehr Hauptrollen für sie bitte sehr!

Dieses Herzens-Projekt der Soska Schwestern (sie sind übrigens – genau wie ich – Fans von Isabelle seit ihren „Ginger Snaps“ Filmen), die für die Entstehung des Filmes angeblich sogar das Haus ihrer Eltern mit einer Hypothek belastet haben, ist für mich somit ein voller Erfolg geworden. Ein ungewöhnlicher Film, der keine klar nachvollziehbare Spannungskurve hat, sich aus mehreren Genres zusammenfügt und nur schwer mit anderen Horrorfilmen vergleichbar ist. Bin gespannt, was die beiden irren Damen in Zukunft noch für faszinierende Bilder auf die Leinwand zaubern.

„American Mary“ bekommt von mir 8,5/10 mit eiskalter Professionalität Körper modifizierende Empfehlungspunkte.

P.S.: Mary ist neben Filmen wie „John Dies at the End„, „The Collection„, „The ABCs of Death„, „Citadel“ und noch fünf weiteren Beiträgen bei den Fantasy Filmfest Nights 2013 vertreten. Wer es im März 2013 also nach Deutschland schafft oder sowieso dort wohnt, der sollte unbedingt hingehen. Infos findet ihr auf der Homepage des Festivals.


2 thoughts on “American Mary (Filmkritik)

  1. Oh, der hat dir deutlich besser gefallen. Ich fand ich zwar auch gut, aber die zweite Hälfte kam irgendwie nicht mehr von der Stelle, das Ende war blöd, der Billy Darsteller völlig talentfrei und naja, so einige Ungereimtheiten. Aber Katharine Isabelle halt, die ist unglaublich cool.

  2. Endlich einmal wieder neuer Horrorstoff, der sich nicht dem ständig wiederholenden Einheitsbrei bedient. „American Mary“ entführt uns in eine vollkommen skurrile Welt voller seltsamer Kreaturen, die unermüdlich nach körperlicher Perfektion streben.
    Wer sich einmal mehr von frischen und befremdlichen Filmstoffen berieseln lassen möchte, ist bei „American Mary“ genau richtig. Das Filmchecker-Team vergibt diesem kleinen Genre-Highlight 8 von 10 Punkten.

    Eine Ausführliche Filmbesprechung jetzt auf dem Filmcheck-Blog

    http://filmchecker.wordpress.com/2013/03/14/filmreview-american-mary-2012/

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